Das richtige Licht erwischen bei Architektur und Bauwerke
Wollen Sie ein architektonisches Motiv fotografieren, kommt es darauf an, das richtige Licht zu erwischen. Ein trüber Tag kann interessant für eine im Nebel verschwindende Brücke sein. Ein strahlend blauer Himmel passt ausgezeichnet zu südländischer Architektur. Harte Kontraste, die gut das Typische moderner Bauten unterstreichen, erhalten Sie zur Mittagszeit. Sanfte Lichtstimmungen, etwa für die Silhouette eines Fischerdorfs, herrschen morgens und abends vor. Sie sollten versuchen, zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, um für Ihre Fotos das Beste aus einem architektonischen Motiv herauszuholen.
Verschiedene Brennweiten beim Architektur und Bauwerke fotografieren
Für die bewusst gestaltete Gebäudefotografie und die Flexibilität bei der Wahl des Bildausschnitts benötigen Sie verschiedene Brennweiten. Die meisten kompakten Digitalkameras sind mit einem Zoomobjektiv ausgestattet, das die wichtigsten Brennweiten abdeckt. Weil Kompaktkameras in erster Linie für Familienschnappschüsse oder Urlaubsfotos konzipiert sind, beginnt der Brennweitenbereich der Zoomobjektive bei relativ kleinen (Weitwinkel-)Brennweiten, damit Sie möglichst viel auf das Bild bekommen. Je nach Kamera reichen die Werte in den mittleren bis langen Telebereich hinein. Bezogen auf das Kleinbildformat bedeutet das, dass die Brennweiten von Zoomobjektiven bei etwa 28 bis 35 mm beginnen und bei mittleren Zooms bis etwa 100 mm, bei langen Zooms auch bis über 200 mm und mehr reichen.[ls_box color=”green” width=”90%” text_align=”center” margin_bottom=”10px” margin_top=”20px”]
OPTIMALEN KAMERASTANDPUNKT FINDEN
Wenn Sie auf Reisen Sehenswürdigkeiten fotografieren möchten, helfen oft Prospekte und Reiseführer weiter. Auf den darin abgebildeten Fotos sehen Sie meist, welchen Kamerastandpunkt der Fotograf gewählt hat. So sparen Sie viel Zeit auf der Suche nach einem vorteilhaften Blickwinkel. Natürlich schadet es nicht, ein Gebäude trotzdem zu umrunden.
[/ls_box]Kostspieligere Digitalkameras verfügen über Superzoomobjektive, die einen Brennweitenbereich von rund 30 bis 400 mm abdeckenkönnen. Bei digitalen Spiegelreflexkameras können Sie Zoomobjektive und Objektive mit fester Brennweite einsetzen. Außerdem haben Sie an einer digitalen SLR-Kamera die Möglichkeit, mit (sehr teuren) Spezialobjektiven für die Gebäudefotografie zu arbeiten, die perspektivische Verzerrungen, sogenannte stürzende Linien, ausgleichen. Für die Gebäudefotografie sind vor allem Weitwinkelobjektive bis hin zu mittleren Telebrennweiten interessant.
Wichtig: häufige Standortwechsel
Zoomobjektive sind ein Hilfsmittel, um bei der Bildgestaltung den Bildausschnitt zu wählen, ohne den Standort wechseln zu müssen. Die Wirkung eines Bildes wird beim Einsatz verschiedener Brennweiten lediglich dadurch beeinflusst, dass mehr oder weniger vom Motiv auf das Bild kommt. Verschiedene Brennweiten haben interessante optische Eigenschaften, die Sie für eine bewusste Bildgestaltung kennen sollten. Vergessen Sie allerdings nie, dass häufige Standortwechsel gerade in der Architekturfotografie essenziell wichtig sind, um den Charakter eines Bauwerks in seiner Gänze zu erfassen.
Ausgedehnte Schärfentiefe mit Weitwinkel
Wenn Sie mit Weitwinkel fotografieren, wollen Sie vermutlich eine Landschaft oder ein Gebäude komplett auf dem Bild haben. In Verbindung mit einer an der Kamera eingestellten kleinen Blende führen Weitwinkelbrennweiten zu ausgedehnter Schärfentiefe.
Für die Gebäudefotografie bedeutet das, dass Sie auch Nebenmotive in Ihrer Nähe – ein Tor, einen Brunnen oder einen Menschen – in den Bildaufbau einbeziehen können. Dadurch erhält ein Bild räumliche Tiefe. Allerdings bewirkt die Weitwinkelfotografie auch, dass Motive, die sich näher an der Kamera befinden, im Vergleich zu weiter entfernt liegenden, deutlich größer, zuweilen sogar riesig und verzerrt wirken können.
Extrem große Blickwinkel mit Fisheye
Eine spezielle Variante des Weitwinkelobjektivs sind sogenannte Fisheye-Objektive. Diese zeigen einen extrem großen Blickwinkel, je nach Ausführung sogar bis zu 180°. Es gibt Fisheyes, die rechteckige Aufnahmen produzieren und dabei sämtliche Linien, die nicht in der Bildmitte verlaufen, verbiegen. Eine zweite Variante, bei der die Verzerrungen noch deutlicher auftreten, sind Fisheyes, die den Bildbereich kreisrund zeigen und eher für die experimentelle Fotografie geeignet sind. Fisheye-Objektive gibt es sowohl für Spiegelreflexkameras als auch in Form von Konvertern, die vorne aufs Objektiv geschraubt werden, für digitale Kompaktkameras.
Dokumentarfotos mit Normalbrennweite
In der Kleinbildfotografie erzeugt eine Brennweite von 50 mm den Blickwinkel, den Sie beim Betrachten des Motivs ohne Kamera haben. Ihre Motive werden im Sucher weder vergrößert noch verkleinert gezeigt. Man spricht bei dieser Brennweite von der Normalbrennweite. Sie ist in erster Linie für dokumentarische Aufnahmen geeignet. Gebäude werden „so, wie sie sind“ dargestellt, je nach Sensorgröße Ihrer Digitalkamera liegt die Normalbrennweite jedoch bei einem anderen Wert. Ist Ihre Kamera mit einem Zoomobjektiv ausgestattet, probieren Sie durch Verstellen des Zooms aus, wann sich Ihre Sicht mit der der Kamera deckt.[ls_box color=”blue” width=”95%” text_align=”center” margin_bottom=”10px” margin_top=”20px”]
VERZEICHNUNG BEI WEITWINKELFOTOS
Verzeichnung ist ein optischer Fehler, der besonders in der Weitwinkelfotografie auftreten kann. Hierbei werden gerade Linien gebogen gezeigt. Je näher Linien wie beispielsweise Häuserkanten am Bildrand liegen, desto stärker wirkt sich die Verzeichnung aus. Bei der tonnenförmigen Verzeichnung werden Linien nach außen, bei der kissenförmigen nach innen gebogen. Der Grad der Verzeichnung hängt von der Qualität des Objektivs ab und kann mithilfe der Bildbearbeitung korrigiert werden. Wie das geht, erfahren Sie in den Workshops am Ende dieses Kapitels über Architekturfotografie.
Motive verdichten mit Telebrennweiten
Fotografieren Sie mit Telebrennweiten (ab ca. 100 mm bezogen auf das Kleinbildformat), entsteht ein Effekt, bei dem die Entfernung hintereinander befindlicher Motive scheinbar verkürzt oder gerafft wird. Auf diese Weise rückt die in einiger Entfernung hinter einem Denkmal aufragende Gebäudefassade nah an das Hauptmotiv im Vordergrund heran. Bei der Verwendung von Weitwinkeleinstellungen entsteht der gegenteilige Effekt: Entfernungen zwischen einzelnen Motiven werden scheinbar vergrößert.
Auf das Bauwerk konzentrieren
Wenn Sie vor einem beeindruckenden Gebäude stehen, nehmen Sie immer auch die gesamte Umgebung wahr: hupende Autos, Menschen im Gespräch, den Geruch eines Cafés oder einer Bäckerei, den Wind, die Hitze eines Sommertags. All diese Eindrücke können Sie nicht mit dem Fotoapparat festhalten, deshalb sollten Sie sich beim Fotografieren voll und ganz auf das Bauwerk konzentrieren.
Gesamtansichten aufnehmen
Beginnen Sie damit, aus einiger Entfernung Gesamtansichten aufzunehmen. Wenn möglich, umrunden Sie Ihr Motiv und probieren verschiedene Perspektiven (von oben, von unten, seitlich) aus. Gibt es Nebenmotive im Vordergrund, die zur Wirkung des Gebäudes beitragen? Ein Denkmal, ein Brunnen oder auch die Straße mit Passanten können interessant sein. Außerdem liefern sie Anhaltspunkte zur Größeneinschätzung des Motivs. Das ist gerade dann wichtig, wenn Sie vor besonders großen oder kleinen Bauwerken stehen.
Teilansichten aufnehmen
Haben Sie bei den ersten Aufnahmen Ansichten entdeckt, die sich für Ausschnitte eignen, machen Sie als Nächstes Fotos von Teilen des Bauwerks. Vermutlich werden Sie auch kleinere Details – Malereien, Reliefs, Intarsien etc. – entdecken, die zu fotografieren sich lohnt. Wechseln Sie hierfür entweder den Standort oder arbeiten Sie mit dem Zoomobjektiv, um Details nah heranzuholen. Achten Sie bei Detailaufnahmen besonders auf den Schattenwurf, denn je nach Sonnenstand kann ein kleines Relief an einer Hauswand ganz unscheinbar, wenige Stunden früher oder später aber hochinteressant wirken. Bei farbigen Details werden Sie oft in der Mittagssonne mit eher blassen Farben oder überstrahlten Flächen zu kämpfen haben. Auch hier bietet sich für kontrastreiche Bilder eine andere Tageszeit an.
Wenn fotografieren nicht erlaubt ist
Bei vielen Gebäuden ist es kein Problem, mit Kamera und Stativ – wichtig für schlecht beleuchtete Räume – auch in den Innenräumen zu arbeiten. In manchen öffentlichen Gebäuden, Museen, Kirchen oder religiösen Bauwerken kann das Fotografieren jedoch verboten oder zumindest unerwünscht sein. Manchmal darf man zwar seine Kamera, nicht aber das Stativ mit nach innen nehmen, weil die Räume zu eng sind oder andere Besucher gestört werden könnten. Werden Sie darum gebeten, das Stativ einzupacken, seien Sie zuvorkommend. Denn meistens geht es auch um versicherungstechnische Fragen. Falls jemand über Ihr Stativ stürzt, kann das den Besitzer des Gebäudes in Schwierigkeiten bringen.
Auch das Fotografieren mit Blitzlicht ist manchmal untersagt, um beispielsweise lichtempfindlichen Wandgemälden keinen Schaden zuzufügen. Versuchen Sie nicht, Verbote zu unterlaufen. Früher büßte man schlimmstenfalls seinen Film ein, heute ist es möglicherweise die teure Speicherkarte. Erkundigen Sie sich auf jeden Fall vorher, ob und auf welche Weise es erlaubt ist, Fotos zu machen. Wenn kein Stativ erlaubt ist, müssen Sie wahrscheinlich mit höherer Empfindlichkeit fotografieren und die Kamera dazu auf einen höheren ISO-Wert stellen. Zwar wird dadurch das Bildrauschen erhöht, Sie erhalten aber zumindest scharfe Bilder, weil die Belichtungszeiten wegen der hohen Sensorempfindlichkeit entsprechend verkürzt werden können und man aus der Hand fotografieren kann.
Belichtung in dunklen Innenräumen
Wenn Ihre Kamera mit einem Bildstabilisator ausgestattet ist, haben Sie eventuell die nötige Belichtungsreserve für dunkle Innenräume. Die zwei bis drei Belichtungsstufen, die der Stabilisator bringen kann, reichen zusammen mit einer etwas höheren Empfindlichkeit möglicherweise schon aus. Je nach Motiv können Sie aber auch über eine Spotmessung, sofern Ihre Kamera über diese Funktion verfügt, vernünftig belichtete Aufnahmen machen. Die Spotmessung bietet sich an, wenn es im Innenraum ein deutlich helleres Motiv gibt, wie man es beispielsweise in Kirchen im Altarraum findet.
Gebäudefotos zur blauen Stunde
Ganz entscheidend für gelungene Architekturfotos ist das Licht – ob es sich nun um das Sonnenlicht oder künstliches Licht von Scheinwerfern, Blitzgeräten oder Feuer handelt. Viele Fotografen sind für Gebäudefotos in der sogenannten blauen Stunde unterwegs, der Zeit kurz vor Sonnenaufgang oder kurz nach Sonnenuntergang. Zu diesen Tageszeiten wirkt das Licht bläulich. Es ist besonders diffus, die Schatten sind sehr weich.
Weil die Lichtmenge zur blauen Stunde relativ gering ist, sind Fotos mit bester Bildqualität und maximaler Schärfentiefe (niedrige Empfindlichkeit, kleine Blende) meist nur mit Stativ möglich. In Kombination z. B. mit Scheinwerfern, die eine Kirche anstrahlen, oder Straßenlaternen, die eine Häuserfront ausleuchten, können atemberaubende Lichtstimmungen entstehen, die Sie so zu keiner anderen Tageszeit vorfinden werden.
Stürzende Linien vermeiden
Der meist ungewollte Effekt der stürzenden Linien, bei dem Gebäude auf Ihren Fotos nach hinten zu kippen scheinen, lässt sich vermeiden, wenn Sie auf Augenhöhe mit dem Motiv stehen, Ihre Kamera absolut waagerecht halten und damit das gesamte Motiv erfassen können. Sobald Sie die Kamera nach oben oder unten kippen, laufen die Kanten eines Gebäudes perspektivisch zusammen. Wenn es nicht möglich ist, einen idealen Standort zum Fotografieren einzunehmen, entfernen Sie sich vom Gebäude und fotografieren mit Telebrennweiten. Hierdurch wird der störende Effekt verringert. Bei Gebäuden, die an Plätzen stehen, ist dies oft möglich, auch wenn dann nur mit einer Weitwinkelbrennweite fotografiert werden kann. Ist auch das nicht machbar, weil das Gebäude zum Beispiel mitten in einem Gebäudekomplex steht, bleibt als letzte Möglichkeit die Bildbearbeitung.
Bildgestaltung mit stürzenden Linien
Charakteristisch für Gebäudeaufnahmen aus der Froschperspektive sind die stark stürzenden Linien, die Gebäude deutlich größer wirken lassen. Wenn sich diese Perspektive nicht umgehen lässt, können Sie versuchen,
diesen Eindruck aktiv in die Gestaltung Ihrer Bilder mit einzubeziehen. Nehmen Sie dann nicht den einzelnen Wolkenkratzer, sondern die ganze Straßenschlucht ins Bild. Durch die steil aufragenden Fassaden wirkt die Straße schmaler, und die Komposition gewinnt enorm an Dynamik.
Objektivempfehlung für Architektur und Bauwerke fotografieren
Wer sich für die Fotografie von Bauwerken begeistert, sollte entsprechende Objektive, am besten mit fester Brennweite, wählen.
Die Lichtstärke ist zweitrangig, da man in der Regel sowieso mit Stativ arbeitet. Leider sind die am besten für die Architekturfotografie geeigneten Optiken im Vergleich zu normalen Zoomobjektiven sehr teuer. Dafür ist die Bildqualität bei Weitwinkelaufnahmen deutlich besser. Spezielle Weitwinkelobjektive mit fester Brennweite liefern Bilder mit weniger Abbildungsfehlern, wie Unschärfe an den Rändern, Vignettierung, Verzeichnung oder chromatischer Aberration.